Die Folgen: Jugendliche werden mit Versprechungen hingehalten und das Ansehen des Berufs wird beschädigt. Auch die Qualität der Kita-Betreuung leidet, wenn die Kinder mehrheitlich von unausgebildetem Personal betreut werden. Und viele Betreuerinnen verlassen den Beruf bald nach der Ausbildung, weil sie nicht länger eine Arbeit machen wollen, für die es ja angeblich nicht einmal eine Ausbildung braucht. Auch dass sich nach wie vor sehr wenige Männer für den Beruf interessieren, ist eine Folge dieser Praxis.
Vorpraktika in Kitas senken die Lohnkosten, doch für die Ausbildungswilligen haben sie keinen Nutzen, und sie tragen mit dazu bei, dass viele den Beruf schnell wieder verlassen. Es ist daher höchste Zeit, dass die Vorpraktika endlich abgeschafft werden. Trotzdem wehren sich manche Arbeitgeber mit Händen und Füssen dagegen, obwohl sie damit dem Beruf schaden.
Praktikums-Verhältnisse sind juristisch nicht wirklich geregelt, und sie sind auch nicht Teil der Berufsbildung. Ein sogenanntes Berufsvorbereitungsjahr gibt es nur für Personen mit individuellen Bildungsdefiziten: da geht es darum, Bildungslücken aus der Schulzeit zu schliessen, damit jemand eine Lehre machen kann. Die Vorpraktika im Bereich Betreuung haben damit nichts zu tun, aber sie stellen eine unnötige Einstiegshürde dar für junge Menschen, die sich für den Beruf interessieren.
Die zuständige Dachorganisation Savoirsocial hat 2016 einen Runden Tisch einberufen und verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Zurzeit werden verschiedene Ansätze und auch die Folgekosten einer Abschaffung geprüft.
Einzelne Kantone und Anbieter ergreifen jetzt schon Massnahmen. Der Kanton Bern beispielsweise verlangt, dass nach einem halben Jahr Praktikum ein Lehrvertrag vorliegen muss, wenn das Praktikum länger dauern soll. Falls kein Vertrag vorliegt, muss bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ein Mindestlohn von Fr. 3000.- gezahlt werden. Auch der Kanton Luzern will diese Möglichkeit umsetzen. Die Stiftung GFZ, Trägerschaft von vielen Kitas in Zürich, hat eine dreimonatige Probezeit für Praktika eingeführt. Nach drei Monaten muss klar sein, ob jemand eine Lehrstelle bekommt, sonst wird das Verhältnis nicht fortgesetzt. An anderen Orten gibt es eine finanzielle Unterstützung für Ausbildungsbetriebe. Diese Massnahmen sind sehr zu begrüssen. Allerdings zielen sie zunächst nur auf eine Regulierung oder Eindämmung der Praktika, aber nicht auf ihre Abschaffung.
Der VPOD ist der Meinung, dass die Vorpraktika im Bereich Betreuung ganz abgeschafft werden müssen.
Hier sind in erster Linie die Kantone und Gemeinden gefordert, welche für die Betriebsbewilligungen und Regulierung zuständig sind und auf diesem Weg klare Grenzen setzen könnten. Folgende Massnahmen sind möglich:
- Praktikantinnen dürfen in den Stellenschlüsseln der Kitas nicht mitgerechnet werden. Betriebsbewilligungen dürfen nur erteilt werden, wenn ein entsprechendes Betriebskonzept vorliegt.
- Subventionen dürfen nur an Betriebe gegeben werden, welche ein Betriebskonzept ohne Praktikantinnen vorlegen.
- Ausbildende Betriebe werden unterstützt (beispielweise mit Pauschalbeiträgen nach Lehrabschluss).
Es versteht sich von selbst, dass es dazu mehr finanzielle Mittel braucht. Die familienexterne Kinderbetreuung ist in der Schweiz notorisch unterfinanziert. Die OECD und andere internationale Organisationen empfehlen einen Betrag von 1% vom BIP für die vorschulische Kinderbetreuung. Das wären etwa 6.5 Milliarden Franken. Davon ist die Schweiz nach wie vor weit entfernt. Nach aktuellen Berechnungen der Jacobs Foundation gibt die Schweiz für den Bereich der Frühen Kindheit grade mal ein Zehntel, nämlich nur 0.1% des BIP aus.
An der Unterfinanzierung wird sich leider kaum etwas ändern, wenn die Anbieter nicht geschlossen eine bessere öffentliche Finanzierung fordern. Allerdings steht dem im Weg, dass es zahlreiche profitorientierte Anbieter in der Kinderbetreuung gibt, für die eine Forderung nach öffentlichen Subventionen schwer vertretbar ist. Hier zeigt sich ein Konstruktionsfehler des Bereichs - in anderen Ländern mit ausgebauter Kinderbetreuung ist es selbstverständlich, dass Betreuungseinrichtungen wie Kitas oder Krippen als Non-Profit-Organisationen funktionieren. Auch das müssten die Kantone und Gemeinden zur Voraussetzung machen.
Weitere Infos zur Kinderbetreuung
Dossier "Frauenstreik 2019 - Streiken in der Kinderbetreuung"
Kinder brauchen Zeit, und die Kinderbetreuung braucht gut ausgebildetes Personal mit fairen Arbeitsbedingungen. In Zürich wurde daher eine Petition gestartet, die eine bessere Regelung der Arbeitsbedingungen in der Kinderbetreuung forderte. Infos zur Petition