Ein weiteres Jahr Reallohnverluste
Eine erste Bilanz des Lohnherbstes 2023 zeigt: die Angestellen im Service public müssen in den meisten Fällen ein weiteres Jahr Reallohnverluste hinnehmen. Parlamente und Exekutivorgane entscheiden sich gegen ihre Angestellten, in dem sie volle Teuerungsausgleiche oder höhere Löhne verweigern. Andernorts scheitern Lohnverhandlungen, weil die mageren Angebote an die Angestellten nicht hinnehmbar sind.
Die Radikalisierung der Arbeitgeber:innen
Die Erfahrungen der letzen Jahre zeigen: Arbeitgeber:innen sehen sich anscheinend nicht mehr in der Pflicht, die Kaufkraft ihrer Angestellten zu stärken oder die Arbeitsbedingungen im Service public zu verbessern. Die mangelnde Wertschätzung gegenüber ihren eigenen Angestellten ist besorgniserregend. Die Sozialpartnerschaft ist für sie ein Feigenblatt keine Partnerschaft auf Augenhöhe.
Mit diesem Verhalten verstärken sie den oft von ihnen beklagten sogenannten "Fachkräftemangel": immer weniger Arbeitnehmende wollen für immer weniger Geld anspruchsvolle und belastende Tätigkeiten im Service public übernehmen. Konflikte, Arbeitskämpfe und Arbeitsniederlegungen werden in 2024 weiter zunehmen, auch weil die Angestellten sich nicht mehr abspeisen lassen möchten.
Mit dem betrieblichen Aufbau in 2024 werden wir unsere Verhandlungsmacht weiter stärken, wir werden die Mobilisierung fortsetzen und intensivieren, um diese Ignoranz der Arbeitgebenden und den sozialen Rückschritt zu stoppen.
Ein Überblick über vorangegangene, laufende und zukünftige Mobilisierungen in den VPOD Regionen
AARGAU | SOLOTHURN: Lohnverhandlungen an den Spitälern gescheitert
Die Lohnverhandlungen über den Teuerungsausgleich für die Mitarbeitenden der Solothurner Spitäler AG, dem Kantonspersonal, die Lehrerschaft der kantonalen Schulen sowie der Volksschulen sind gescheitert. Beim VPOD Aargau/Solothurn und den Personalverbänden stossen das ungenügende Angebot der Regierung und die nicht durchgeführte Mediation auf grosses Unverständnis. Die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden ist besorgniserregend. Der VPOD hat nun mit den Personalverbände eine Petition lanciert und wird diese anfang nächstes Jahr der Solothurner Regierung übergeben.
BASEL: Lohnverhandlungen mit Kantonsspital Baselland gescheitert
Die Lohnverhandlungen zwischen dem Kantonsspital Baselland (KSBL) und den Verbänden VPOD, SBK, VSAO und Syna sind gescheitert. Wie schon im letzten Jahr war das öffentlich-rechtliche KSBL lediglich bereit, einen Bruchteil der Teuerung auszugleichen. Ein weiterer Reallohnverlust ist jedoch inakzeptabel. Deshalb planen die Verbände nun den Gang vor das Schiedsgericht. Weitere Informationen
BERN: Skandalöse Entscheidung des Grossen Rats am 5. Dezember 2022 | Petitionsübergabe mit 16'195 Unterschriften | Regierungsrat knausert wieder | Saure Äpfel und Zitronen für die Grossrät:innen | Petition und Enttäuschung auch beim Bundespersonal |
Der Grosse Rat entschied am 5. Dezember 22 trotz massiver Proteste den Teuerungsausgleich von 0.5% für 2023, eine absolute Frechheit gegenüber dem betroffenen Personal. Der VPOD Region Bern forderte, dass genügend Mittel im Budget 2024 eingestellt werden, um den Rückstand bei der Teuerung wieder aufzuholen. Anlässlich des Sozialpartnergesprächs der Regierungsratsdelegation hat der VPOD Bern zusammen mit anderen Verbänden eine Petition mit 16195 Unterschriften übergeben.
Der Regierungsrat ignorierte diese Forderungen seines Personals und sieht im kommenden Jahr einen Teuerungsausgleich von nur 2% vor. Dies obwohl er im Frühling 23 eine Rechnung mit 358 Mio. Franken Überschuss präsentierte.
Das betroffene Personal ist sauer: Am 4.9.2023 für die Grossrät:innen erst einmal saure Äpfel vor dem Rathaus. Am 4. Dezember verteilte der VPOD noch saurere Zitronen: Trotzdem folgte der Grosse Rat dem Regierungsrat. Er sieht nur 2% Teuerungsausgleich vor. Damit müssen die Beschäftigten in Altersheimen, Spitex und sozialen Institutionen das zweite Mal in Folge eine Reallohneinbusse hinnehmen. Der VPOD fordert, dass die aufgelaufene Teuerung ins Budget 2025 aufgenommen wird.
Für die Angestellten des Bundes sind mickrige 1 % Teuerungsausgleich für das Bundespersonal vorgesehen. Nach drei intensiven Runden sind die Lohnverhandlungen mit der für das Personal zuständigen Finanzministerin Bundesrätin Karin Keller-Sutter am 16. November 2023 gescheitert. Dies, trotz dem Druck einer Petition des Bundespersonals mit 8'974 Unterschriften, welche einen vollen Teuerungsausgleich forderte. Die Personalverbände zeigen sich schwer enttäuscht.
FRIBOURG: Petition und Protestaktion am 14. November 2023
Unsere Kolleg:innen in Fribourg fordern +5% Teuerungsausgleich. Am 14. November organisierte der VPOD zusammen mit der FEDE und dem FOPIS eine Versammlung des öffentlichen und halböffentlichen Dienstes in Freiburg. Das Personal fordert den Staatsrat auf, nicht nur die Löhne um +5% zu erhöhen, sondern auch seine Forderungen bezüglich der Schwere der Arbeit, des Ressourcenmangels am HFR oder der Achtung der Vertretungsrechte der Gewerkschaftsorganisationen in der CPPEF zu berücksichtigen.
GENF: Im 2022 zahlt sich der Kampf aus | Und es geht weiter: Streikankündigung für den 14. Dezember 2023
In 2023 weigert sich der Staatsrat weiterhin, über eine einigermaßen korrekte Indexierung zu verhandeln. Die Kolleg:innen des VPOD fordern +5%, während der Staatsrat nach einer ersten Mobilisierung beschlossen hat, nur +1% zu gewähren, Der Grosse Rat und seine bürgerliche Mehrheit bereiten sich darauf vor, die Hälfte der 356 Stellen, die im Budget 2024 vorgesehen sind, schlicht und einfach zu streichen, und dies zu einer Zeit, in der die öffentlichen Dienste unterbesetzt sind, das Personal leidet und die Prekarität in der Bevölkerung steigt! Am 5. Dezember kam es bereits zu einem Streik, die nächste Streikankündigung ist für den 14. Dezember! Weitere Informationen
LUFTVERKEHR: Für gute Arbeit im Luftverkehr!
Auch hier stehen die Löhne weiter unter Druck. Die Forderung nach einem generellen Teuerungsausgleich in den Unternehmen stösst auf viel Widerstand auf Seiten der Arbeitgebenden. Deswegen sind u.a. die Verhandlungen mit SWISS, SWISSPORT und Goldair gescheitert. Zwischen dem VPOD Luftverkehr und Goldair wurde gar eine kantonale Schlichtung eingeleitet, um einen Streik über Weihnachten zu verhindern.
Doch auch Erfolge konnten erzielt werden. Die SR- Technics hat die Löhne um ganze 5% erhöht und das rückwirkend ab Oktober.
LUZERN: Petition mit 5000 Unterschriften eingereicht!
Fünfzehn Verbände und Gewerkschaften des Service public haben eine Petition gestartet, um den Kaufkraftverlust beim Staatspersonal und staatsnahen Betrieben zu verhindern. Sie fordern 3,6% Teuerungsausgleich für das Luzerner Staatspersonal. Die 5'000 gesammelten Unterschriften wurden am 23. Oktober 2023 bei der Staatskanzlei eingereicht. Der Grosse Rat weigerte sich, auf die Vorlage einzutreten und stimmte stattdessen einem Ausgleich von 2% für den Luzerner Staatsdienst (und 2,3% für die Lehrerschaft) zu. Der Entschluss der Kolleg:innen in Luzern steht - für das Jahr 2024 braucht es eine bessere Organisierung der Angestellten! Weitere Informationen
NEUCHÂTEL: Mobislierungen des Gesundheitspersonals am 7. November
Gewerkschaften, soziale Bewegungen und linke Parteien riefen im September zu einer Kundgebung auf, um gegen die steigenden Krankenkassenprämien und Mieten zu protestieren.
Der Gesundheitssektor lancierte eine Petition, die eine Lohnerhöhung von +3,8% ab Januar 2024, Anpassungen am Ende der Karriere, die Neueinstufung der Pflegeberufe und die Aufwertung aller Funktionen forderte. Um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, mobilisiert sich das dem GAV Gesundheit 21 unterstellte Personal seit dem 7. November an den Arbeitsplätzen, die Petition wurde am 5. Deuzember überreicht. Weitere Informationen
ST. GALLEN: Mickrige 1.7% bei der Stadt - das Personal protestiert
Am 28. September 2023 protestierten städtische Angestelte der Verkehrbetriebe, der Stadtwerke, des Strasseninspektorats, der Entsorgung und der Verwaltung. Das Personal der Stadt St. Gallen fordert eine Lohnerhöhung von mindestens 3%, gewährt hat das Stadtparlament lediglich 1.7% mit einem Sockelbetrag von 100.-/Monat. Deswegen haben städtische Angestellte die Stadtparlamnetarier: innen am 5. Dezember mit Pfeifen und Buhrufen empfangen. Sie wollten ein Zeichen setzen und zeigen, wie wichtig und nötig ein echter Teuerungsausgleich wäre. Weitere Informationen.
WAADT: Der Kampf geht in die nächste Runde!
Der Kanton ist trotz eines Vermögens von 5,3 Milliarden einer der schlechtesten Schüler der Schweiz: Er möchte die Löhne seines Personals nur um 1,4% indexieren und nur teilweise eine einmalige Prämie zu gewähren. Das Personal des öffentlichen und halböffentlichen Dienstes im Kanton Waadt vervielfacht seine Versammlungen, Demonstrationen und Streiks für die vollständige Indexierung ihrer Löhne und Zulagen sowie für eine Lohnerhöhung von 100 Franken für alle, um insbesondere die Erhöhung der Krankenkassenprämien auszugleichen. Nach den schwierigen Corona-Jahren, in denen die Angestellten im Service public oft über ihre Grenzen hinaus gefordert wurden, sollen sie nun herbe Kaufkraftverluste hinnehmen. «Es ist, als ob der Arbeitgeber uns ins Gesicht spucken würde», sagte eine Streikende. Nach mehr als fünf Monaten Kampf haben die Mitglieder beschlossen, die erste Phase eines langwierigen Konflikts um die Löhne trotz eines unbefriedigenden Angebots des Staatsrats im öffentlichen und halböffentlichen Dienst abzuschliessen. Jetzt heisst es: Kräfte sammeln und sich fokussieren auf die nächste Lohnrunde im Herbst.
Der VPOD ruft zusammen mit der FSF und SUD die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen und halböffentlichen Dienstes auf, am Donnerstag, den 14. Dezember, um 17.30 Uhr vor dem Finanzdepartement (Rue de la paix in Lausanne) zu mobilisieren.
ZUERICH: Keine Reallohnerhöhung, dafür Steuersenkungen für Reiche / Unispital gibt 1.1% / Dübendorfer Lohnsystem in Bewegung?
Kein Geld für effektive Reallohnerhöhungen beim Personal im öffentlichen Dienst, dafür eine Steuersenkung, von der nur die vermögendsten Einwohner:innen etwas merken. Der VPOD Zürich kritisiert diese ungerechte Priorisierung im Budgetbeschluss des Kantonsrats Zürich. Sie ist nicht das einzig Ernüchternde: Beschämend ist die Streichung von 5 Mio. Franken für zusätzliches Personal im Strafvollzug bzw. von 1.2 Mio. Franken für Digitalisierungsprojekte. Und auch die Erhebung, wie es dem Pflegepersonal im Kanton Zürich geht, soll es nicht geben.
Als erstes kantonales Spital gab das Universitätsspital Zürich USZ seinen Teuerungsausgleich bekannt. Das händeringend gesuchte Personal soll dennoch nur 1.1% erhalten. Das sind wie letztes Jahr 0.5% weniger, als die Regierung für das Kantonspersonal beschloss. So geht es, wenn man Spitäler ohne GAV in die freie Marktwildbahn entlässt und vom kantonalen Personalrecht abweichende Reglemente zulässt. Unvollständige Teuerungsausgleiche summieren sich. Der nächste Teuerungsausgleich wird entsprechend auf zu niedrigem Lohnniveau «aufbauen».
Das unermüdliche Einstehen des Stadtpersonals von Dübendorf hat Früchtchen getragen. Die gemeinsame Petition mit dem VPOD hat vorerst Verbesserungen gebracht. Zwar bleibt der Teuerungsausgleich im 2023 auf 0%. Im 2024 soll aber mit 3.8% ein Teil des Rückstands korrigiert werden. Gerechnet mit den bezahlten bzw. beschlossenen Teuerungsausgleichen 2023 und 2024 des Kantons - an dem sich die allermeisten Zürcher Gemeinden orientieren - wäre ein Ausgleich von 5.1% nötig. Aber immerhin: Das intransparente Dübendorfer Lohnsystem scheint nicht mehr sakrosankt.
Möchtest du die nächsten Lohnverhandlungen mitanschieben? Dann melde dich bei deinem zuständigen VPOD-Sekretariat