Alles fährt Ski? Keineswegs! Rückblick auf ein schwieriges Jahr

Von: Christoph Schlatter, Christine Flitner, Tanja Lantz

Während die einen Ski fahren, stehen die anderen an der Grenze zur Erschöpfung, insbesondere das Personal in den systemrelevanten Berufen, in den Spitälern, den Heimen, den Kitas, den Schulen.

Die Pflegenden laufen längst auf dem Zahnfleisch – auch Bundesrat Berset hat diese Formulierung gewählt. Und ein Ende der Gesundheitskrise ist in den nächsten Monaten nicht in Sicht; vage Hoffnung besteht, dass der Sommer und die Impfung die Zustände wieder normalisieren. Von einer grundsätzlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen in jenen Bereichen, die gesellschaftlich unabdingbar und gleichzeitig personell unterdotiert sind, ist schon kaum mehr die Rede. Sparen heisse jetzt die Devise auf Jahre hinaus, sagt der Finanzminister.

Ja, es war ein schwieriges Jahr für alle, auch beim VPOD und für die Mitarbeitenden der Sekretariate. Wir haben gekämpft und mobilisiert und einiges erreicht. Wir haben uns eingesetzt für den Schutz des Personals. Wir haben uns stark gemacht für sinnvolle Hygienekonzepte. Auch aus dem Homeoffice haben wir unter Hochdruck Informationen, Rat und Material für die Arbeitnehmenden zur Verfügung gestellt und ajour gehalten. » Deine Rechte unter COVID-19

Und wir haben nach besten Kräften beim Bund, bei den Kantonen und Arbeitgebern Druck gemacht, damit diese Krise nicht in erster Linie auf dem Rücken der Angestellten ausgetragen wird. Wir haben mobilisiert, mit stets coronagerechten, aber publikumswirksamen Aktionen und Demonstrationen.

Und unser Engagement geht weiter, jetzt erst recht: für eine sozialere Schweiz und für bessere Arbeitsbedingungen. In diesem Sinne wünscht wir allen Kolleginnen und Kollegen alles Gute für ein hoffentlich besseres 2021.

Ein Rückblick auf ein schwieriges Jahr

Gesundheitspersonal

Was wir schon seit Jahren monieren, wurde schon zu Beginn der Krise sichtbar: Es fehlt an qualifiziertem Personal, insbesondere in der Intensivpflege und in den Heimen. Das sind Folgen jahrelanger Sparmassnahmen und der Einführung von Wettbewerb im Gesundheitswesen. Im März beschloss der Bundesrat mit einer Hüftschussverordnung, die minimalen Gesundheitsschutzbestimmungen betreffend Pausen und Ruhezeiten für das Spitalpersonal aufzuheben. Mit unserer » Petition „Stand by your nurse“, die von 80‘000 Personen unterschrieben wurde, konnten wir die teilweise Sistierung des Arbeitsgesetzes in den Spitälern rückgängig machen.

1400 Personen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich sowie aus Kitas haben an der » Umfrage in Pflege- und Betreuugsinstitutionen teilgenommen, die wir in den ersten Corona-Wochen lanciert haben. Fazit: Das Ausmass des Materialmangels war zumal am Anfang der Pandemie teilweise dramatisch.

Um unsere Kräfte zu bündeln, haben wir zusammen mit den Verbänden SBK und SYNA ein Bündnis der Gesundheitsberufe ins Leben gerufen. Mittlererweile sind dem Bündnis 12 weitere Organisationen und Gewerkschaften beigetreten. Während der gemeinsamen #ProtestwocheGesundheit im Oktober hat das Personal in überwältigender Weise landesweit ein Zeichen gesetzt und bessere Arbeitsbedingungen eingefordert. Im November hat das Bündnis Gesundheit sich erneut an den Bundesrat und die Gesundheitsdirektorenkonferenz gewandt mit der Forderung, das Personal unter allen Umständen zu schützen und endlich die strukturellen Probleme (Personalmangel, unzureichende Finanzierung etc.) anzugehen:
» Dringender Appel an den Bundesrat . Diese Anliegen bringen wir mit Hochdruck in die aktuellen Beratungen der nationalen ParlamentarierInnen und Kommissionen ein. Wir begrüssen alle Massnahmen, die dazu beitragen, dass das Gesundheitspersonal nicht kollabiert und gesund bleibt.

Bildung und Schulen

Die Lehrpersonen haben die Schule mit grossem Engagement durch den Lockdown getragen. Die Erfahrungen vom Frühling haben aber deutlich gemacht: Präsenzunterricht ist nicht zu ersetzen.

Mit einer » Umfrage unter Lehrpersonen haben wir die wichtigen Erkenntnisse aus der Phase des Fernunterrichts zusammengetragen und Forderungen formuliert. Der Schutz im Alltag muss höchste Priorität haben, es braucht klare Regelungen fürs Homeoffice, Anerkennung für den geleisteten Zusatzaufwand (insbesondere auch an den Hochschulen) und zusätzliche Mittel, damit die Bildungsschere sich nicht weiter öffnet. Erfahrungen seit dem Schuljahresbeginn zeigen weiterhin: Schutzkonzepte sind an Bildungseinrichtungen vorhanden, aber sie werden im Alltag nicht immer umgesetzt. Das ist schwierig für gesundheitlich gefährdete Personen, die immer wieder darauf drängen müssen, dass die Vorschriften eingehalten werden. Und es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Lehrpersonen in Quarantäne müssen und Personalengpässe zunehmen. Wir begrüssen die Prüfung des Einsatzes von Schnelltest und Hepa-Filtern an den Schulen.

Wir sind zudem besorgt um die mittel- und langfristigen Folgen der wiederholten Schliessungen der Hochschulen, insbesondere für die akademische und berufliche Zukunft von Kolleginnen und Kollegen mit prekären Verträgen, die 80% des Lehr- und Forschungspersonals an den Schweizer Universitäten ausmachen. Universitäten und Fachhochschulen müssen dringend und unverzüglich Verfahren einführen, um die Auswirkungen der Pandemie auf eine ganze Generation junger Forschender zu begrenzen, die auf brutale Weise von der Situation betroffen sind. (Stellungnahme zu den Hochschulen)(Petition zur Beendigung der Prekarität an den Hochschulen)

Kinderbetreuung

Die familienergänzende Kinderbetreuung gehört zur Grundversorgung. Trotzdem wurde das Betreuungsangebot eingeschränkt und die Finanzierung der Kitas stand lange auf wackligen Füssen. Zusammem mit anderen Organisationen starteten wir die » Petition "Kitapaket jetzt! " und wandten uns mehrfach an den Bundesrat, die Sozialdirektionen und weitere Kreise, bis schliesslich eine finanzielle Unterstützung für die gefährdeten Kitas erreicht wurde. Der Schutz des Personals und die ungenügenden Arbeitsbedingungen sind weiterhin wichtige Themen, die Ende September an der » Demonstration "Kinderbetreuung am Limit" in Zürich auf die Strasse getragen wurden. Die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen und einem GAV bleibt ganz vorne auf der Liste!

Sozialwesen

1400 Personen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich sowie aus Kitas haben an der » Umfrage in Pflege- und Betreuugsinstitutionen teilgenommen, die wir in den ersten Corona-Wochen lanciert haben. Fazit: Das Ausmass des Materialmangels war zumal am Anfang der Pandemie teilweise dramatisch. Dass der Betrieb überwiegend von Kinderlosen aufrechterhalten wird, ist ein weiteres Ergebnis der Erhebung.
Im Dezember starteten wir eine weitere » Umfrage zur 2. Welle in Heimen, Horten & Kitas und Werkstätten. Die Ergebnisse werden im Januar präsentiert.

Nahverkehr

Am 16. März forderte der Bundesrat die Bevölkerung auf, zuhause zu bleiben und unnötige Fahrten mit dem öffentlichen Verkehr zu vermeiden. Der Fahrplan wurde auf das nötigste reduziert. Das hat Löcher in die Kassen der Verkehrsbetriebe gerissen, denn es gab zu diesem Zeitpunkt keine Entschädigungsregelungen für Kurzarbeit und Einnahmenausfälle für öffentliche Betriebe. Lange war unklar, wie die Ausfallzeiten (Minusstunden) der Mitarbeitenden gehandhabt würde. Doch durch unsere starke gewerkschaftliche Intervention konnten solide, arbeitnehmerfreundliche Lösungen vereinbart werden.

Luftverkehr

Die COVID-Krise trifft auch die zahlreichen Beschäftigten an den Flughäfen: im Passagierdienst, in der Gepäckabfertigung, an der Rampe und bei der Technik. Viel Solidarität gab es an der Protestversammlung «Gemeinsam gegen Lohnabbau» im September in Zürich. Denn: auch die Finanzhilfen des Bundes für flugnahe Betriebe sind vertraglich mit einer Senkung der Betriebskosten verbunden und nützen nichts. Aber gegen den weiteren Abbau und das Abwälzen der Krise auf ArbeitnehmerInnen werden wir uns weiter lautstark wehren.

Weitere Kampagnen

» Wir sind Service public!
Mit der WirSindServicePublic Testimonial Kampagne zeigen wir der breiten Öffentlichkeit die Vielfältigkeit des Service public und wie das Personal unserer Grundversorgung mit der Coronakrise umgeht.

» 15.5.2020: Challenge for future!
Pandemien werden durch ökologischen Raubbau begünstigt und verschärfen gleichzeitig schon bestehende soziale Ungleichheiten. Wie bereits am Kongress 2019 beschlossen, unterstützen wir die Ziele der Klimabewegung. Ein ökologischer Wandel ist notwendig und er muss sozial gerecht erfolgen

» 14. Juni 2020: Die Frauen im Zentrum von COVID!
Zum 14. Juni 2020 beleuchteten wir die COVID-Krise aus feministischer Perspektive, denn obwohl sie alle Menschen gesundheitlich, sozial und wirtschaftlich betrifft, stehen die Frauen bei der Bewältigung an vielen Orten in der vordersten Reihe.

» Gleiche Rechte für alle!
In der Schweiz leben mehr als zwei Millionen Menschen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft. Wenn mitten unter uns Menschen in Angst und Unsicherheit leben, ist dies auch unser Problem: In einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der migrantische Arbeitnehmende, um ihr Aufenthaltsrecht bangen müssen und tiefere Löhne erhalten, steigt der Druck auf alle Arbeitnehmenden.